Unter der Woche ist Philipp Hüwe Pressesprecher der Polizei in Köln. Am Wochenende tauscht er Uniform gegen Schiri-Dress. Dann ist der 34-Jährige als Schiedsrichterassistent von Florian Badstübner oder Sören Storks bei Bundesligaspielen im Einsatz.
Welche Mannschaften und welche Stars auf dem Platz stehen, ist für Hüwe nebensächlich. Er konzentriert sich ganz auf seine Aufgabe, den Schiedsrichter bestmöglich zu unterstützen. Einen besonderen Blick hat er aufs Abseits. Die Fahne ist dabei sein wichtigstes Werkzeug. „Mir ist völlig egal, wer da gegen wen spielt“, sagt Hüwe. Privat schaut er zwar auch gerne Fußball, doch Fan irgendeiner Mannschaft in der Bundesliga ist er nicht. Der DJK Coesfeld ist sein Verein. Dort hat Hüwe früher selbst gekickt. Heute ist er noch Schiedsrichter bei seinem Heimatverein. Bei dessen Spielen kann er aus Neutralitätsgründen jedoch nicht pfeifen.
Ebenfalls tabu sind Spiele im RheinEnergieSTADION, da er in Köln lebt und arbeitet. In seiner Rolle als Schiedsrichterassistent ist er so stets unparteiisch. „Das kenne ich ja von der Arbeit bei der Polizei“, sagt Hüwe. Überhaupt gibt es einige Parallelen zwischen seiner Nebentätigkeit und dem Hauptberuf. Um als Schiri fit zu sein, trainiert er täglich. Seine Laufdaten schickt er regelmäßig an den DFB. Eine gute Fit ness ist bei der Polizei bekanntlich auch gefragt. Ebenso wie Zusammenhalt und Teamwork.
Auf dem Platz sind sie immer als Vierergespann im Einsatz: der Hauptschiedsrichter mit seinen beiden Assistenten sowie ein wechselnder vierter Schiedsrichter. Über ihre Headsets sind sie im ständigen Austausch. Außerdem gibt es noch zwei Kollegen, die im Video-Assist-Center in Köln sitzen und die Spiele auf Monitoren verfolgen. Sowohl als Polizist wie auch als Schiedsrichter muss man Regeln durchsetzen und Verstöße ahnden. In beiden Bereichen gilt es, Entscheidungen zu treffen, die Auswirkungen haben. Auch in Stresssituationen muss man einen kühlen Kopf bewahren und selbstbewusst auftreten. Anfeindungen sind keine Seltenheit.
„Als Schiri muss man ein dickes Fell haben“, erklärt Philipp Hüwe. „Heute bekomme ich gar nicht mehr mit, was die Zuschauer mir zurufen. In niedrigeren Ligen ist das viel krasser. Da stehen die Leute nah am Platz und man ist den Beleidigungen ganz anders ausgesetzt. Deshalb ziehe ich meinen Hut vor allen, die regelmäßig solche Spiele pfeifen.“ Hüwe wünscht sich deshalb ein Umdenken der Leute. Es gebe ohnehin schon viel zu wenig Nachwuchs und die Pöbeleien in den unteren Ligen machten den Schiri-Job nicht attraktiver.
Seine ersten Erfahrungen als Schiedsrichter macht Philipp Hüwe, als er 15 Jahre alt ist. Er fängt ganz unten an, pfeift bei Jugend- und Kreisligaspielen. Hier ist man als Schiedsrichter Einzelkämpfer und muss sich oftmals gegenüber älteren Spielern behaupten. Die fehlende Erfahrung führt dann schnell zu Unsicherheit. Vom Rande des Platzes schreien die Eltern und die Spieler wollen über jede Entscheidung diskutieren. Eine harte Schule. Doch er hat es gemeistert und ist schnell in höhere Ligen aufgestiegen. „Ich habe gelernt, mich durchzusetzen und auf meine Entscheidungen zu vertrauen“, erzählt Hüwe. „Dadurch habe ich mich persönlich stark entwickelt. Ohne diese Erfahrungen wäre ich bei der Polizei nicht da, wo ich heute bin.“
Als er 19 Jahre alt ist, hört er schließlich auf, selbst zu spielen und konzentriert sich ganz auf seine Entwicklung als Schiedsrichterassistent. Darin habe er mehr Talent, heißt es. Bei jedem Spiel wird er von ehemaligen Schiris beobachtet und nach einem Notensystem bewertet. Mit 26 Jahren wird Hüwe in der 3. Liga von Nordrhein-Westfalen bester Schiri-Assistent und steigt so in die 2. Liga auf. Drei Jahre später schafft er es im Sommer 2020 während der Corona-Pandemie in die 1. Liga. Den ersten Einsatz in der Bundesliga hat er bei der Partie Freiburg gegen Wolfsburg. Trotz Geisterspiel ein unvergesslicher Moment für Philipp Hüwe. Auch nach vier Jahren ist das Einlaufen ins Stadion für ihn immer noch ein Gänsehautmoment, den er ganz bewusst genießt.
Hüwe gehört zu den 120 besten Schiris in Deutschland. Während der Fußballsaison ist er jedes Wochenende unterwegs.
Er pfeift um die 35 Spiele im Jahr. Hinzu kommen noch Lehrgänge und Trainings. „Ohne die Unterstützung meiner Kolleginnen und Kollegen auf der Pressestelle würde das nicht gehen. Die halten mir echt den Rücken frei und ich revanchiere mich dann an spielfreien Tagen, indem ich die Rufbereitschaft übernehme“, sagt er. Bei Fußballspielen weiß Hüwe genau, was die Kolleginnen und Kollegen der Polizei gerade leisten. Direkte Berührungspunkte gibt es bei seinen beiden Jobs aber nicht. Mit einer Ausnahme: Als er vor einigen Jahren auf den Kölner Ringen Dienst hatte, kontrollierte er einen Spieler der 3. Liga. Es stellte sich heraus, dass die beiden am selben Tag zusammen in Bremen auf dem Platz gewesen waren. Ein Zufall, der Hüwe heute noch zum Lachen bringt.